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Hollywood
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findus
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Registriert: 29.07.2005 00:08

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Beitrag von findus »

LIVE AUS LONDON


„Der Papagei und der Esel,
die hatten einen Streit,
weher wohl am besten orakelt?
Weher wohl am besten orakelt?
Zur Sommerrätselzeiheiheit,
zur Sommerrätselzeit…
Der Esel sprach „Das kann ich“,
und hub gleich an zu schrei’n.
„Ihich bin die schwarze Mary,
und will Orakel sein.
Und will Orakel seiheihein,
und will Orakel sein…“

Mein Radiowecker reißt mich aus dem Schlaf. Stöhn. So viel fröhliche Gute-Laune-Musik am frühen Morgen, die mich da einweckt, äh, aufweckt…
Es ist 5 Uhr morgens und vor mir liegt ein harter Tag. Ich bin als Gleichstellungsbeauftragte bei Olympia in London.
Meine Mission: Triple-S.
Mein einziges Ziel: Die frauendominierten Sportarten rhythmische Sportgymnastik (S), Synchronschwimmen (S) und Schwebebalken (S) endlich für die Männerwelt zu öffnen.
Das Problem an der Sache: Von Seiten des IOC ist alles klar und genehmigt, allein, es fehlen geeignete Athleten. Und ich bin dazu da, die passenden Jungs zu finden. Quasi das Aufstöbern der seltenen Männer unter all den üblichen Verdächtigen.
Und ich kann Euch sagen, das ist kein Birnenschlecken hier, das ist knallharte Arbeit!

Noch halb im Schlaf schleppe ich mich zum Athletenfrühstück. Boah, sind die alle schon munter. Vor mir in der Schlange hüpft einer ständig auf und ab. Dong Dong, Goldmedaille im Trampolin. Dong Dong winkt mir hektisch zu. Der freut sich immer riesig, wenn er mich sieht. Ich winke müde ab und schlichte mir schäubleweise ein paar Löffelchen Müsli in den Magen. Ich bin in Eile.
Gleich jetzt im Morgengrauen will ich raus nach Meistersrüte zu den Wasserpaddlern. Wenn DIE Jungs nicht viel versprechend aussehen, weiß ich nicht? Himmel, sind die Kerle durchgezandert! Sie würden sich großartig machen bei der Reifengymnastik. Seufz. Ich kneippe durch das flache Uferwasser auf die Kanadier-Kanuten zu, stell meine Triple-S-Frage und fahr mir eine Abfuhr ein.
Mist. Im Weggehen meine ich, aus dem Augenwinkel Dong Dong hinter einer Zeitung zu sehen.

Dann schnell zu den Reitern jetzt. Die hoppeln irgendwo am Land rum, wo sich Hase und Else gute Nacht sagen. Die Topfpflanzen auf dem Parcours haben schon lange kein Wasser mehr gesehen – Hindernisse der trockenen Erden. Merkwürdiger Wettbewerb übrigens. Darf alles dabei sein, was vier Beine hat und einen Reiter tragen kann. Citta, der Elefant hüpft in lustigen Piaffen zu Mantovanis Piccolo Bolero. Und am Abreitplatz springt ein Esel im Kreis und wiehert: „Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Schwarze Mary heiß…“
Lauter Irre hier. Und wie der Elefant auf den Schwebebalken kommen soll, ist mir auch ein Rätsel. Ich probiers lieber bei den Gewichthebern.

In der Heureka-Arena angekommen, reibe ich mir verwundert die Augen -
sitzt da auf der Tribüne nicht Dong Dong? Mit einem Baby auf dem Schoss? Seltsam. Der verfolgt mich. Aber die Gewichtheber sind klasse. Spontan erklären sie sich zu einem Casting bereit. Probehalber üben wir die Synchonschwimmfiguren Uhr, Eiffelturm, Pyramide, Drilling und Sonne. Auf dem Trockenen natürlich. Trotzdem - eine komplette Katastrophe! Grazie? Anmut? Null. Einzig die Figur Kolosseum kriegen die Kolosse ganz gut hin. Vermutlich angeborenes Talent…
Sinn macht das jedenfalls keinen und ich winke zum Abschied.

Leicht erschöpft schleppe ich mich weiter ins Butterfly-Seebad, Austragungsort der Schwimmer. Wenn die nicht Wasser, wer dann? Ich wittere Morgenluft für mein Projekt Synchronschwimmen. Ich erspähe Dong Dong an der Hintertür. Ja will mich der verkohlen? In dem Moment schlüpft Dong Dong durch den Ausgang, vermutlich will er den Bus zum Olympiadorf nicht verpassen. Die Hallentür lässt er offen, voll auf Durchzug. Ein Hurricane mitcht durch die Halle. Chaos bricht aus, die Schwimmer flüchten. Und mit ihnen meine potenziellen Triple-S-Kandidaten. Menno. Hier sieht’s aus wie nach einem Airbus A380-Absturz. Alle Flaggen und Medaillen hängen schief und der Vorhang ist zerrissen. Da sollte der Hausmeister jetzt mal wieder ordentlich durchkärchern. Dass die Japaner das alles begeistert knipsen, brauche ich ja wohl nicht erwähnen…

Frustriert führt mich mein Weg north by northwest. Richtung BMX-Strecke. Die Kerle dort sollten dem Schwebebalken gewachsen sein, die stehen auf Gefahr. Das wird ein echter Crashtest. Dummy nur, dass Oscar beim Start die Time by gehen lässt, wertvolle Sekunden verstreichen lässt, den Anschluss total verpasst, nur noch die Rücklichter auf der Brücke sieht und Letzter wird. Ein Blick in seine erschütterte Miene, und ich verschlucke meine Frage nach seiner Schwebebalkenbereitschaft und verzieh mich wieder.

Ich stärke mich in der Athletenmensa mit Winterforelle aus Nordhausen und einem Schwung Berti Botts Beste Butterbirnen. Dong Dong zupft an meinem Ärmel und will mir was sagen. Mann! Geht der mir auf den Keks. Ohne abzusetzen quatscht er auf mich ein, ich schalte ich auf Durchzug in meinem Gehirnblock, fringse mir noch schnell einen Apfel, zwei Birnen, drei Pflaumen, ein Stück Schokoladenkuchen, eine Eiswaffel, eine saure Gurke, ein Würstchen und ein kleines grünes Blatt und flitze wieder weiter.

Ein eitler und eingebildeter Jagger joggt mir entgegen, Lieschen müllert hinter ihm um die Ecke. „Mach’s noch mal!“, ruft sie ihm hinterher. Die wird doch nicht mit Jagger einen neuen F-Rekord? Tssss, hier im olympischen Dorf ist alles außer Kontrolle geraten, im Grunde wird an den meisten Tagen gefeiert.
Die Dreamteam-Basketballer werfen mit 500-Euro-Scheinen nur so um sich, lassen Groschen fallen und sind für Bandgymnastik überhaupt nicht zu begeistern. Nicht mal für die hübschen Glitzerdresses. Auch Synchronschwimmen lehnen sie mit fadenscheinigen Argumenten ab: „Da ist ja kein Korb dabei. Wo bleibt da die Defense? Und wer wär der Center? Und überhaupt wo ist der Ball?“ Herrje. Das sind doch Kleinigkeiten! Verballhornte Beckmesserei!

Mittlerweile ist es Abend und ich sehe meine letzte Chance bei der Abendsession im Olympiastadion. Mühsam setze ich Schritt vor Schritt und schleppe mich dort hin. Meine Kondition war auch schon mal besser. Einfach zu wenig gemensendieckt in letzter Zeit. Hinter mir höre ich Schritte. Ich glaub das ja nicht! Dong Dong hat sich unter lauter Pastoren gemogelt, ein Nonnenkostüm übergeworfen und will mir im Sonnenschein Langnese spendieren. Will ich vielleicht Eis?? Hallooo? Wir sind doch nicht bei den Winterspielen!
Dong Dong gollumt hinter mir her: „Mein Schatzzzz, warte auf mich…“. Ich wüsste ja nicht, dass ich mit Dong Dong verschatzt bin? Recht aufdringlich mittlerweile. Nervt irgendwie. Ich schnappe mir meinen Chloroformtopf, tunke mein gutes graues Halstüchlein ein und stelle den lästigen Dong Dong erstmal ruhig.
Im Stadion ist die Hölle los. 80.000 schmettern „God save the Queen“, während Königin Elisabeth, die gute Luise, mit dem Fallschirm ins Stadion gleitet. Der Stadionteiler liegt bei 1/1, weil das ist einfach alles erste Sahne hier.
Und für mich jetzt noch ein paar Sahneschnittchen-Triple-S-Jungs und alles ist in Butterbirne! Auf Zehenspitzen nähere ich mich meinem Topwunschkandidaten Usain Bolt. Der genschert den gerade noch strahlenden Gesichtsausdruck in ein ungläubiges Kopfschütteln als er mich sieht, winkt mich ungnädig weg, checkt noch schnell seine 148713 Mails und rettet anschließend die Welt. Ziemlich wichtig. Da hat er keine Zeit für Nasenklemmen-Geplantsche.

Sch… - und was nun? Ich jaspere, äh, japse nach Luft.
Jetzt wenn nicht bald der Knoten platzt!
Zahlenmäßig bin ich gereiht und gespalten – ich habe NULL Triple-S-Athleten akquiriert und 15 wären toll. Fieberhaft durchschorsche ich mein Gehirn nach einer Lösung. Für heute hab ich wirklich genug magellant…
Ein Geistesblitz durchzuckt mich. Dong Dong! Himmel. Wieso habe ich das nicht früher gemerkt? Ich verpasse dem ohnmächtigen Hüpfauf ein paar fruchtfleischsaftige Ohrfeigen. Dong Dong schlägt die Augen auf und blickt mich verzückt an. „Lass mich dein Triple-S sein“, murmelt er selig.
Na bitte. Geht doch! Ein Anfang ist gemacht. Und beim Finale in München vergebe ich die restlichen Triple-S-Mannschaftsplätze. Genug Verdächtige werden da sein. Wie üblich…

Was für ein Tag! Hundemüde lasse ich mich auf mein olympisches Bett fallen.
Ich mause meine Bettdecke um mich, umklammere meinen Stoffaffen und okulythe mir einen kleinen Drink. Schlaft gut, alle!

:knuddel
findus
Marvin
Beiträge: 1577
Registriert: 05.03.2002 12:16

Beitrag von Marvin »

wow!
passt perfekt zur feier, die grad läuft
solltest du vortragen dürfen dort!

klasse und merci bien


:-)
RR
Mod
Beiträge: 2571
Registriert: 01.10.2002 00:01
Wohnort: Schwabing

Beitrag von RR »

Genial wie immer. :up: :up: :up:
kryptologin
Beiträge: 41
Registriert: 07.01.2008 14:25

Beitrag von kryptologin »

da muss bendzkos tim noch mal herhalten:

Wenn Worte meine Sprache wären

Chorus:
Mir fehlen die Worte, ich
Hab' die Worte nicht,
Dir zu sagen was ich fühl'.
Ich bin ohne Worte, ich
Finde die Worte nicht.
Ich hab keine Worte für dich.

gut, dass es dir nicht so geht. :up: :lol:
Er win
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Registriert: 13.08.2012 13:29
Wohnort: München

Beitrag von Er win »

Suuuuper :D

Danke schön!
SUPERVISOR
Mod (SR-Redaktion)
Beiträge: 1020
Registriert: 15.02.2002 09:49
Wohnort: München

Beitrag von SUPERVISOR »

Nachdem auch ich endlich dazu gekommen bin, den Bericht der Gleichstellungsbeauftragten bei Olympia zu geniessen, komme ich natürlich nicht umhin, ebenfalls ein dickes Lob für das Amusement auszusprechen. Nebenbei bemerkt: Wir haben ja auch nichts anderes erwartet.
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